Die Baureihe 280 der Deutschen Reichsbahn -
Geschichte
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Das Kombinat LEW erhielt Ende der 60er Jahre den Auftrag, neue Triebzüge für den S-Bahnverkehr in den Bezirksstädten zu entwickeln und zu liefern. Mit den als BR 280 bezeichneten Triebzügen sollten attraktive Personennahverkehrssysteme in den Städten Leipzig, Dresden, Halle und Magdeburg geschaffen werden, in denen diese leistungsfähigen, wirtschaftlichen und den Forderungen des Umweltschutzes entsprechenden Nahverkehrsfahrzeuge eingesetzt werden sollten. Lieferliste:

 
Die Entwicklung erfolgte unter den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft, wonach „Grundsätze, Tendenzen und Forderungen der Deutschen Reichsbahn und der DDR-Volkswirtschaft“ zu berücksichtigen waren, d.h. ökonomische Gesichtspunkte und volkswirtschaftliche Gegebenheiten bestimmten die Entwicklung und die Verwendung verschiedener Komponenten und Bauteile.
Die neuen Fahrzeuge sollten ein hohes Niveau an Reisekultur, eine hohe Reisegeschwindigkeit und eine große Betriebssicherheit bieten. Eine personalarme Wartung und Unterhaltung der Fahrzeuge wurde ebenso gefordert wie die Möglichkeit der Reinigung in mechanischen Waschanlagen mit hohen Düsendrücken und Unterflur-Waschwagen. Auch sollte eine weitgehende Vereinheitlichung von Bauteilen und Ausrüstungsgruppen mit denen vorhandener und in der Entwicklung befindlicher Triebfahrzeuge berücksichtigt werden.
Der Einsatz im Mischbetrieb mit lokomotivbespannten Zügen auf Vorortsstrecken erforderte hohe Beschleunigungswerte bei geringen Energieverbrauchswerten. Dazu wurden folgende zwei Fahrprogramme festgelegt:
Fahrprogramm I Fahrprogramm II
Haltestellenabstand
Haltezeit
Reisegeschwindigkeit bei 0 ‰ Streckenneigung
Programmmäßige Maximalgeschwindigkeit
Maximale Verzögerung (bei vollbesetztem Zug)
Tägliche Einsatzzeit
Ruckbegrenzung im Regelbetrieb
2000 m
30 s
50 km/h
80 km/h
1 m/s²
 20 h
0,5 m/s³
5000 m
30 s
80 km/h
120 km/h
1 m/s²
 20 h
0,5 m/s³
Die Länge der kleinsten Betriebseinheit – ein vierteiliger Triebzug – betrug 97.000 mm, sodass Zuglängen von 100, 200 und 300 m zusammengestellt werden konnten. Die Masse eines vierteiligen Triebzuges betrug 192 t. Er hatte 332 Sitzplätze und 474 Stehplätze – zusammen 806 Plätze. Mit der größten vorgesehenen Betriebseinheit konnten somit über 2.400 Personen befördert werden (Vergleich 2x4-teilige Einheit mit S-Bahn-Zug aus BR 211 oder 242 und 5 Doppelstock-Einzelwagen DBmue/DBmqe – Länge: 194/150m, Kapazität: 1612/1690 P).
Die Triebzüge erhielten einen weinroten Außenanstrich. Bei einer Serienfertigung waren auch andere Farbvarianten im Gespräch, die Stadtfarben des jeweiligen Einsatzgebietes. Ob dies aber je so realisiert worden wäre, ist fraglich, zumal eine Austauschmöglichkeit zwischen den Bezirkstädten dann nicht gegeben wäre.
Ende 1973 wurde der erste Triebzug fertig gestellt und kurz darauf an die Deutsche Reichsbahn übergeben. Zunächst erfolgte eine gründliche Erprobung der Fahrzeuge. Ab April 1975 waren die Prototyp-Triebwagen im planmäßigen S-Bahn-Einsatz auf der S-Bahn-Linie B Leipzig Hbf – Wurzen und in Magdeburg. Anfang 1976 waren alle Erprobungen abgeschlossen und ab 1977 wäre die Serienfertigung der technisch überarbeiteten „zweiten Fahrzeuggeneration“ möglich gewesen. Da der Bau von elektrischen Lokomotiven volkswirtschaftlich als vorrangiger eingestuft war, unterblieb die Serienfertigung jedoch. Wahrscheinlich wurden die Fahrzeuge zunächst im Heimat-Bw Leipzig Hbf West abgestellt. Anfang der 80er Jahre kam nochmals eine aus den beiden Prototyp-Triebzügen zusammengestückelte vierteilige Einheit in Leipzig zum Einsatz. Dieser Einsatz war aber nur von kurzer Dauer.
Nach der Abstellung war ein Umbau eines Triebzuges als Erprobungsträger für die Drehstromantriebstechnik vorgesehen. Dieser Umbau dürfte aber unterblieben sein. Stattdessen wurden die Fahrzeuge als Bahndienstwagen für die Bahnstromwerke verwendet. Anfang der 90er existierten nur noch die Kopfteile (ETa), die auf denen Bahnhöfen Beucha, Delitzsch Süd West und Niederröblingen bzw. im Bw Leipzig Hbf West abgestellt waren.
Zur Geschichte der BR 280 ist noch zu bemerken, dass es seitens der Deutschen Reichsbahn scheinbar keine offizielle Ausmusterungsverfügung gab. Stattdessen verschwanden die Züge ohne großes Aufsehen von den Gleisen der DR. Die kurze Rennisance Anfang der 80er Jahre war nur ein vorübergehendes Aufbäumen vor dem endgültigen Tod (= Abschied aus dem Betriebseinsatz) dieser einmaligen Fahrzeuge.
Zu den Gründen der Abstellung kann man heute – 30 Jahre danach – sicher nur noch Spekulationen abgeben. Mir fallen drei Gründe ein, weswegen es nicht zu einer Serienfertigung der Triebzüge gekommen sein könnte:
1. Im Jahre 1976 begann die Serienfertigung der BR 250. Für die Deutsche Reichsbahn dürfte die Indienststellung einer leistungsfähigen Elektrolokomotive wichtiger gewesen sein als die BR 280. Die begrenzten Ressourcen in der DDR erzwangen offensichtlich eine Entscheidung „entweder – oder“. Dabei blieb der Triebzug der BR 280 „auf der Strecke“ (bzw. eigentlich nicht …).
2. Wie oben schon geschildert, benötigte der Triebzug eine größere Zuglänge als die Doppelstockwagen, um eine vergleichbare Personenzahl zu befördern. Außerdem konnte durch Beistellung zusätzlicher Doppelstockeinzelwagen die Kapazität der Züge schrittweise erhöht werden.
Auch wenn der Verkehr mit einer Einheit aus drei Triebzügen nur in Sonderfällen vorgesehen war, hätte er bezüglich der vorhandenen Bahnsteiglängen Probleme bereitet (z. B. Schönebeck-Salzelmen 255 m, Wolmirstedt 238 bzw. 260 m, Hausbahnsteig [Überholungsgleis] Schönebeck (Elbe) nur 186 m). Es wären also zusätzliche Investitionen in die örtliche Infrastruktur (Verlängerung der Bahnsteige) notwendig gewesen.
Die größere Zuglänge und geringere Flexibilität mögen ein weiterer Grund gewesen sein, die BR 280 nicht in Serie zu beschaffen und dafür doppelstöckigen, lokbespannten Zügen den Vorrang zu geben.
3. Ob Gerücht oder nicht: ein Fünkchen Wahrheit mag an der These dran gewesen zu sein, dass die Triebzüge der BR 280 einen hohen Stromverbrauch hatten. Schließlich war eine hohe Anfahrbeschleunigung gefordert, die einen entsprechenden Stromverbrauch zur Folge hat. Im 4-Teiler benötigten 16 Fahrmotoren Energie, wenn die Triebzüge im täglichen Betriebseinsatz mit 2 4-teiligen Einheiten hätten fahren sollen, wären es schon 32 Fahrmotoren. Möglicherweise hätte dies bereits das Bahnstromnetz überlastet.
Wie gesagt: klären lassen sich die Gründe heute sicher nicht mehr. Ich denke aber, dass es zumindest ein Zusammenspiel der oben genannten Fakten war.
Weitere Informationen nehme ich aber gern per M@il entgegen.
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